Der 23te März sollte in Kolumbien eigentlich als der Tag der feierlichen Unterzeichnung des Friedensvertrages in die Geschichte eingehen. Die seit 2012 in Havanna geführten Friedensverhandlungen befinden sich auf der Zielgeraden, doch gerade der letzte Punkt, die faktische Entwaffnung der über 7 500 Guerillakämpfer stellt sich als komplizierter heraus, als von manchen Beobachtern angenommen.
Nachrichtentext bei Blickpunkt-Lateinamerika
Historisches Treffen von US-Außenminister mit der FARC
Präsident Santos stellte das Datum Anfang März erstmals infrage. Er werde „kein schlechtes Abkommen akzeptieren, nur um einen Stichtag einzuhalten“. Die Delegation der FARC wurde im Rahmen des Besuches von US-Außenminister John Kerry noch um einiges deutlicher. Sie setzen erstmalig einen neuen Zeitraum und sprechen von den „verbleibenden wenigen Monaten“, die Kolumbien vom finalen Abkommen trennen.
Das historische Treffen zwischen einem Vertreter der US-Regierung und den Guerillachefs macht allerdings auch Hoffnung auf die Möglichkeit eines Friedens, ist doch die USA seit Jahrzehnten Hauptfinanzier des Konflikts und Erzfeind der Guerillas. Überraschend herzlich dankt die FARC der US-Regierung für ihre Unterstützung des Friedensprozesses und bittet sie um Hilfe bei den letzten ausstehenden Schritten, vor allem der Bekämpfung des Paramilitarismus.
Paramilitarismus als größte Bedrohung des Friedens
Dass nicht alle Konfliktparteien an den Verhandlungen teilnehmen, könnte sich als größtes Problem der Friedensverhandlungen herausstellen. Weder mit der zweiten Guerillagruppierung ELN, noch mit den ultra-rechten Paramilitärs werden offizielle Verhandlungen geführt. Vor allem die paramilitärischen Gruppierungen könnten viele Guerillakämpfer an der Niederlegung ihrer Waffen hindern. Und nicht grundlos: bei den Friedensverhandlungen Anfang der 90er wurde der politische Arm der FARC nach großen Wahlerfolgen gewaltsam niedergeschlagen. An die 5000 Mitglieder wurden ermordet, darunter zwei Präsidentschaftskandidaten.
In den letzten Monaten haben verschiedene neo-paramilitärische Gruppierungen verstärkt etliche Menschenrechtsaktivsten und Anführer sozialer Organisationen erschossen. Obwohl das in Kolumbien seit Jahrzehnten zum Alltag gehört, steigen die Zahlen der Morde aktuell so rasant an, dass die seriöse kolumbianische Wochenzeitung Semana von der „Rückkehr des paramilitärischen Phänomens“ spricht.
Strukturelle Hindernisse auf dem Weg zum dauerhaften Frieden
Doch das größte Hindernis auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden sind die Probleme, die auch zu Beginn des Konfliktes standen: strukturelle Ungleichheit, extreme Landkonzentration und fehlende Grundversorgung weiter Teile der Bevölkerung. Am 17ten März demonstrierten beim landesweiten Großstreik laut Medienberichten bis zu 2 Millionen Menschen gegen die sozialfeindliche Politik der Santos-Administration. Viele wollen den Frieden, nehmen die Verhandlungen mittlerweile aber als Farce war. Auf der einen Seite den Frieden zu propagieren und gleichzeitig soziale Proteste gewaltsam niederzuschlagen, keine Lösungen für humanitäre Katastrophen, wie den Tod tausender Kinder in La Guajira, zu finden und seit Jahren bestehende Abkommen mit Indigenen- sowie Bauernverbänden zu ignorieren, erscheint ihnen zu widersprüchlich.
Mit jeder verstreichenden Woche der Friedensverhandlungen wächst die Skepsis und Angst in der Bevölkerung. Die Popularitätswerte des Präsidenten sind auf einem Rekordtief angelangt, 73% der Menschen haben ein negatives Bild von Santos und 66% glauben nicht mehr an ein positives Ende der Verhandlungen. Am Ende soll eine Volksabstimmung über den Frieden entscheiden. Wichtiger als alle Abkommen in Havanna wird in den nächsten Monaten sein, dass die Verhandlungsparteien es schaffen in der Zivilbevölkerung die Begeisterung und Motivation für die große Aufgabe eines wirklichen Friedens zu säen.
Foto: Ariel Arango
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