Friedensmarsch in Kolumbien
Am Donnerstag demonstrierten in allen großen Städten des Landes Hunderttausende bei einem von sozialen Bewegungen angeführten Marsch für Frieden, während gleichzeitig die Polarisierung zwischen den politischen Positionen weiter wächst.
Laut der kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo nahmen alleine in der Hauptstadt Bogotá über 300 000 Menschen an den Kundgebungen Teil, und auch in Medellin, in Cali und vielen anderen Städten gingen zig Tausende auf die Straße, um für den Frieden Flagge zu bekennen.
Mein Nachrichtentext dazu bei amerika21 und etwas ausführlicher in der jungenWelt.
Seit 2012 gilt der 9te April als Tag der bis heute über 6 Millionen Opfer des seit 52 Jahren andauernden Bürgerkrieges zwischen der Guerillagruppierung FARC und dem kolumbianischen Staat. Bereits in den letzten Jahren fanden an diesem Tag große parteiübergreifende Märsche statt, doch kleiner und nicht mit der klaren politischen Botschaft wie letzten Donnerstag.
Dieses Jahr initiierten vor allem das linke Bündnis „Marcha Patriotica“, Gewerkschaften, Bauernverbände, sowie soziale und indigene Bewegungen den Marsch in den verschiedenen Städten. Das Bündnis forderte die Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, einen sofortigen bilateralem Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensgesprächen mit der zweiten noch aktiven Guerillagruppe des Landes, der ELN.
Doch die Hauptbotschaft der hunderttausenden Bürgern war, dass nachhaltiger Frieden nur mit sozialer Gerechtigkeit möglich ist, gerade im vielleicht entscheidenden Jahr der Friedensverhandlungen ein deutliches Zeichen an den neoliberal geprägten Präsident Santos.
Trotz dieser deutlichen Politisierung des Marsches nahm auch Santos an der Kundgebung in Bogotá teil und verkündete die Aufhebung der Luftangriffe auf FARC-Stellungen einen weiteren Monat zu verlängern. Sowohl die FARC, als auch die ELN solidarisierten sich mit dem dem Marsch und sendeten „patriotische Grüße“. Die Gesten können als ein weiterer Schritt in Richtung einer Deeskalation des Konflikts gewertet werden.
Doch auch die immer noch verbreitete Spaltung der kolumbianischen Gesellschaft wurde an diesem Tag deutlich. Viele Wortführer der sozialen Bewegungen sind Morddrohungen von paramilitärischen Gruppierungen ausgesetzt und die zweitgrößte Partei Centro Democrático um Kriegs-Befürworter Alvaro Uribe bewertete den Marsch als Farce. Ihr Präsidentschaftskandidat Óscar Iván Zuluaga verlor im letzten Juni den Wahlkampf erst in der Stichwahl gegen Santos und wetterte auf Twitter gegen die Friedensverhandlungen.
Auch von Seite derer, um die es an diesem Tag ursprünglich ging, wurde der Präsident kritisiert. Parallel zu den Kundgebungen klagten Opferverbände über den fehlenden politischen Willen bei der Umsetzung des exakt vor drei Jahren verabschiedeten Gesetzes „Ley de la victimas“: „Das Einzige,was wir deutlich erkennen, ist die Nicht-Einhaltung des Gesetzes, seine institutionelle Zerschlagung und den fehlenden politischen Willen Geldmittel bereitzustellen“, äußert sich ein Opferverband gegenüber der Wochenzeitung Semana. Darüber hinaus fordern die Verbände vom Staat eine Gewährleistung der eigenen Sicherheit, denn, genau wie die Wortführer der Kundgebungen, sind auch die Aktivisten der Opferverbände Drohungen und Gewalt ausgesetzt. Erst am Mittwoch gaben die Behörden die Ermordung von zwei Brüdern in Achi bekannt, die beide an einem „Tisch für Opfer“ teilnahmen. Laut Zahlen der UNO wurden allein im Jahr 2014 zwischen 33 und 38 weitere Anführer von Opferverbänden ermordet.
Präsident Santos bekam an diesem Tag zwar ein klares Ja zu seinen Friedensverhandlungen mit der FARC, aber erstmals lautstark mit der Forderung seine Politik mehr an sozialen Fragen und dem Schutz der Opfer zu orientieren, als ausschliesslich an seiner neoliberalen Agenda. Zwar bewerteten Beobachter wie UN-Koordinator Fabrizio Hochschild die Politisierung des Marsches als bedauerlich, doch ist die Gegenfrage berechtigt, ob es nicht genau diese kritische Stimme der Bürger braucht, um dauerhaften Frieden herzustellen.
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